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31.10.2014

Neue Heimat gefunden: Sondershausen wird neuer Firmensitz

Pforzheimer Zeitung
Geld & Markt, Ausgabe 252
Autor: Lothar Neff

Kaiser Barbarossa schläft der Sage nach seit Jahrhunderten im Kyffhäuser. Unterdessen hat sich in der Region viel getan. Thüringen zählt einer US-Studie nach zu den innovativsten Wirtschaftsstandorten in Westeuropa. Das bestätigt auch der Pforzheimer Unternehmer Marcel Hofsaess.

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Neue Heimat gefunden

Firma Thermik hat vor drei Jahren die Zelte in Pforzheim abgebrochen.

Produktivität am Standort Thüringen deutlich gesteigert.

Kaiser Barbarossa schläft der Sage nach seit Jahrhunderten im Kyffhäuser. Unterdessen hat sich in der Region viel getan. Thüringen zählt einer US-Studie nach zu den innovativsten Wirtschaftsstandorten in Westeuropa. Das bestätigt auch der Pforzheimer Unternehmer Marcel Hofsaess. „Seit die Firma Thermik vor drei Jahren von Pforzheim nach Sondershausen umgezogen ist, hat sich die Zahl der erteilten Patente verdreifacht.“ Kreativität ist angesagt. „Vielleicht liegt das an der klaren Thüringer Luft“, sagt der Firmenchef – oder dem faszinierenden Blick über das Kyffhäuser Land, der sich vom neuerbauten Firmengebäude hoch über Sondershausen bietet. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das Städtchen nicht gerade für besondere Ablenkung sorgt. Die nächste Großstadt Erfurt ist über 50 Kilometer entfernt. Thermik war damals bereits Weltmarktführer für Temperaturbegrenzer. „Doch man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen“, sagt der Chef. Deshalb hatte sich die Geschäftsleitung 2010 mit einer zukunftsweisenden Standortwahl beschäftigt. „Wir wollten noch besser und profitabler werden.“
Die Standortwahl fiel letztlich auf Thüringen. Zeitgleich hatte eine US-Studie „Global Best of Invest Ranking 2010“ ergeben, dass das ostdeutsche Bundesland bester Investitionsstandort Deutschlands und Westeuropas sei. „Wir waren zur gleichen Auffassung gekommen, zumal wir auf 20 Jahre Produktionserfahrung in Sondershausen zurückgreifen konnten.“ In die Planungen waren nur ausgewählte Führungskräfte in Pforzheim und Sondershausen eingebunden, bestätigt Hofsaess. Nur so konnte eine reibungslose Verlagerung und letztlich Verschmelzung der beiden Thermik-Betriebe in Rekordzeit von nur einem Monat erfolgen. „Unsere Kunden haben davon zunächst nichts mitbekommen, erst als wir sie mit neuem Briefkopf aus Thüringen angeschrieben haben.“ Die geschichtsträchtigste Sehenswürdigkeit ist das Residenzschloss – direkt neben der Firma Thermik gibt es ein Besucherbergwerk, das auch für Familienfeste und Partys gebucht werden kann. Fast 100 Jahre lang – bis 1991 – wurde hier Kalisalz gefördert. Damals arbeiteten fast 3000 Menschen unter Tage.
Viele Einwohner von Sondershausen sind nach der Wende in den Westen abgewandert. Im Gegensatz dazu eröffnete das Pforzheimer Unternehmen damals als erster bundesdeutscher Mittelständler ein Werk in der ehemaligen Kalistadt und ist heute mit 140 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber. Seine Großeltern und seine Mutter Ulrika Hofsaess stammen aus Sondershausen. „Die Menschen hier sehen mich nicht als Fremden, sondern einen, der in die Heimat seiner Großeltern zurückgekehrt ist.“
1991 übernahm Thermik ein Halbleiter-Unternehmen in der Nähe von Jena. „Durch die Synergieeffekte wurde ein Quantensprung bei der Konzeption von Temperaturbegrenzern möglich“, heißt es in der Firmenhistorie.
430 Kilometer sind es von der Goldstadt nach Sondershausen. Nur ein Dutzend Mitarbeiter aus dem Pforzheimer Altgefäll hatte das Angebot auf Weiterbeschäftigung angenommen und war nach Thüringen umgezogen. Auch nach bis zu 30 Jahren im Unternehmen für die meisten keine leichte Entscheidung. Knapp 100 Mitarbeiter blieben in Pforzheim und erhielten mit der Kündigung eine Abfindung. „Es war uns wichtig, dass die Führungskräfte mitgekommen sind“, betont Hofsaess. Durch die Neuaufstellung habe sich der Altersdurchschnitt von 50 auf 37 Jahre verringert.
Die Fachkräftegewinnung war kein Problem, versichert der Thermik-Chef. Rund 50 Prozent der Pforzheimer Beschäftigen waren Anlernkräfte, in Thüringen sind heute 90 Prozent Fachkräfte.
Sieben Millionen Euro kostete der imposante Neubau, der mit seiner Glasfassade den Hügel über dem Besucherbergwerk „Glückauf“ prägt. Die Baugenehmigung habe nach zwei Wochen vorgelegen, betont Hofsaess. Derartige Unterstützung durch die Stadtverwaltung habe er in der Goldstadt nicht erlebt. „Dafür musste ich in den Räumen der Geschäftsleitung ein Behinderten-WC für 40 000 Euro einbauen lassen, obwohl es dort gar keine Behinderten gab.“ Bereits nach zwei Jahren habe sich die Investition in das neue Stammwerk in Thüringen bezahlt gemacht.

Mangel an Fachkräften
Am Stammsitz Pforzheim sei diese Neuausrichtung aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen. Es fehlte an qualifizierten Fachkräften und der Bereitschaft zu neuem Denken. Es sollte ein deutschsprachiger Standort sein, der durch die Nähe zu Universitäten und Hochschulen auch den Mangel an Ingenieuren lindern sollte. Die Sandwichlage zwischen Stuttgart und Karlsruhe sei für Pforzheim problematisch, weil es die guten Leute zu den Topfirmen in den beiden Technologiezentren ziehe. Einer der größten Wettbewerber von Thermik sitzt übrigens in der Goldstadt. „Ein Abwerben von Mitarbeitern ist mit unserer Firmenphilosophie nicht vereinbar“, macht Hofsaess deutlich.

Schutz vor Überhitzung
Ob am Arbeitsplatz oder daheim – überall schützen täglich mehrere Dutzend Temperaturbegrenzer die Funktion von elektrischen Geräten – sie stecken in Lüftern, Kühlanlagen, Pumpen, Kaffeemaschinen und Föns. Trotz eines weltweit hohen Bedarfs an Temperaturbegrenzern gebe es vergleichsweise wenige namhafte Hersteller. Sie sollen einen Überhitzungsschutz bieten, ohne dass Anlagen zu früh abgeschaltet werden. Die technische Herausforderung liege darin, auf immer kleinerem Raum immer größere Leistungen zu beherrschen und dabei die Kosten im Griff zu haben. „Wir haben unsere Preise seit drei Jahren trotz steigender Materialkosten nicht mehr angehoben und trotzdem mehr verdient.“ Dies sei nur durch einen gewaltigen Produktivitätsschub möglich gewesen. Kunden in ganz Europa werden vom Thermik-Werk in Sondershausen beliefert. Lieferzeiten und Kosten wurden durch den Umzug deutlich reduziert. Zu den 100 innovativsten Mittelstandsunternehmen in Deutschland zählt Thermik seit vier Jahren. Doch auch die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet das Unternehmen zu den 1,7 Prozent aller Firmen mit der besten Bonität im Land. Seit 1997 expandiert die Thermik-Gruppe bankenunabhängig. Auf fachkundigen Rat muss Marcel Hofsaess indes nicht verzichten: Beiratsvorsitzender des Unternehmens ist Wolfgang Daum, der frühere Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Pforzheim Calw.

 

Quelle: Neff, Lothar H.: Neue Heimat gefunden; Pforzheimer Zeitung, 10/2014.

 

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